Gewaltfreie Kommunikation in der Begegnung mit Pferden- Kontakt und Empathie statt Druck und Dominanz
- Katrin Ohlendorf
- Aug 28
- 7 min read
In diesem Artikel möchte ich mit euch ein wenig tiefer eintauchen und mitnehmen in meine Philosophie der Beziehungsgestaltung. Gewaltfreie Kommunikation, diese ursprünglich aus dem menschlichen Kontext stammende Methode der Gesprächsführung, lässt sich wunderbar in die Welt der Pferde oder auch anderer Tiere übernehmen. Ich möchte mich hier auf den Pferdebereich beschränken.

Gewaltfreie Kommunikation (GFK) mit Pferden- sinnvoll ?
Die GFK nach Marshall B. Rosenberg ist eine Methode die sich zielführend in die Arbeit mit Pferden integrieren lässt. Gewaltfrei heißt hier nicht nur das Ausbleiben von körperlicher Züchtigung und psychisch mentaler Gewalt, sondern ist eine wertschätzende Kommunikationsform mit dem Ziel der Verbindung der Beziehungspartner. Hierbei fehlen sowohl Kontrolltechniken als auch hierarchische Strukturen. Beide sind gleichberechtigte Partner.
Diese Methode, wenn ich auch ungern den Begriff verwende da sie für mich sehr viel mehr darstellt, ist zu einer Lebenshaltung geworden. Eine Haltung geprägt von Empathie und Respekt. Die GFK bezieht immer beide Beziehungspartner mit ein, beide dürfen sich äußern und werden wertschätzend in ihrem Wesen gesehen und angenommen. Ich sehe dich, unabhängig von deinem Verhalten, prägt auch meine Herangehensweise im Pferdeumgang. Eine Haltung formt, neben weiteren Faktoren, unseren inneren Zustand. Was im Inneren angelegt ist, bedingt das Außen und somit die Körpersprache sowie Handlungen. Und weil Pferde sehr fein auf all dies reagieren, kann das Praktizieren der GFK zu einer tieferen Verbindung beitragen. Da viele von uns und ich hoffe der Trend setzt sich weiter durch, um einen achtsamen und friedvollen Umgang mit Pferden bemüht sind, gebe ich die Anwendung nur allzu gern weiter. Wertschätzung und Achtung des Gegenübers haben Priorität. Kann dieses jedoch auch unabhängig von herausfordernden Situationen und Verhalten des Pferdes gelingen?
Die Schritte der GFK im Zusammensein mit Pferden
Rosenberg hat in seinem Modell der Kommunikation und Beziehungsgestaltung unter uns Menschen vier Schritte formuliert, welche als Grundstruktur immer greifen. In der Praxis habe ich für mich erkannt, dass diese Schritte fließend in einander übergehen und sich im Gebrauch bedingen. Sie dienen als Gerüst und sind nicht so starr wie es jetzt klingen mag.
An erster Stelle steht das Beobachten einer Situation oder des Verhaltens. Das bedeutet zunächst rein und konkret festzustellen, was ich mit meinen Sinnen erfassen kann. In der Regel wird es das Sehen sein. Dieses erfassen passiert ohne Bewertung oder dem Versuch bereits eine Erklärung zu finden oder zu urteilen. Es ist ein neutrales Wahrnehmen. Wir Menschen neigen schnell dazu, neben dieser Wahrnehmung sogleich eine Interpretation vorzunehmen. Dieses möchte in der angewandten GFK vermieden werden.
Der zweite Schritt: In diesem gilt es zu bemerken, was durch die Beobachtung in uns ausgelöst wird. Wir richten den Fokus und die Aufmerksamkeit auf uns selbst. Was ist es genau, was da in uns passiert? Welche Gefühle und Emotionen zeigen sich? Ist es Wut, Frust, Traurigkeit, Angst? Ja auch Freude zählt hier rein. Es muss keine negativ besetzte Gefühlswelt sein. Obwohl es meiner Meinung nach keine negativen Gefühle gibt. Sie dienen uns und zum Beispiel kann eine wahrgenommene Unsicherheit oder Sorge in vielen Momenten durchaus nützlich wenn nicht gar lebensrettend sein. Genauso wie wir in diesem Schritt unsere eigenen Gefühle bemerken und anerkennen, möchte auch das Pferd in diesen gesehen werden. Gehen wir empathisch mit, dann bemerken wir auch seine Stimmungslage und momentane Energie. Sind wir uns bewusst und gestehen diese Gefühlswelt auch unserem Pferd zu, dann kann das bereits ein Schritt der Veränderung in eurer Beziehung sein.
Im dritten Schritt heißt es nun zu entdecken, was die aufkommenden Gefühlswallungen in uns bedeuten. Sowohl bei uns, als auch bei unserem Pferd, stehen hinter den Gefühlen jeweils Bedürfnisse. Bedürfnisse wollen erfüllt werden und die Motivation hierfür, zeigt sich im Verhalten. Pferde drücken sich über den Kanal des Verhaltens aus. Uns Menschen steht neben der Körpersprache noch der gesprochene Ausdruck zur Verfügung. Zum Beispiel steht das Bedürfnis Sicherheit nach der Erfüllung der Grundbedürfnisse wie z.B. der Nahrungsaufnahme, mit an vorderster Stelle. Das gilt für Mensch und Pferd gleichermaßen. Auch Themen von Nichtbeachtung der Individualräume und Grenzen oder mangels Kommunikation fehlender Klarheit hierrüber, führen ebenso häufig zu Verhaltensauffälligkeiten der Pferde.
Doch wie bringe ich nun mein Anliegen oder einen Wunsch meinem Gegenüber bzw. meinem Pferd näher? Der vierte Schritt in der GFK ist das Formulieren einer Bitte oder Anfrage. Dieses tritt an die Stelle von Forderungen oder gar dem Einsatz von Zwang. Ein Gespräch darf eine Aushandlung sein und in dieser dürfen sich beide Partner äußern. Somit ist auch ein „Nein“ oder „jetzt nicht“ als Option gegeben. Dieses zu akzeptieren zeigt dem Gesprächspartner, auch dem Pferd, dass er/es ernstgenommen wird und das schafft eine vertrauensvolle Ebene. Keine Sorge, ein Nein bedeutet keinen Beziehungsabbruch. Ganz im Gegenteil. Es zeigt, dass wir für uns einstehen. Pferde sagen untereinander andauend Nein. Natürlich ist es immer möglich erneut nachzufragen bzw. eine Bitte anders und verständlicher zu formulieren. Dieses Aushandeln oder Nachfragen geschieht wiederum auch unter Pferden.
Wenn jetzt der Einwand kommt, dass es manchmal Situationen gibt, wo zum Beispiel aus Sicherheitsgründen (ein Halt an einer Straße o.ä.) kein Verhandeln möglich ist und eine sofortige Reaktion erwartet wird, dann sage ich: ja stimmt. Auch in der Natur gibt es innerhalb einer Herde solche Situationen. Doch auch hier macht die Basis einer Beziehung den Unterschied, wie dieser Kommunikationsverlauf gestaltet wird. Es ist ein kurzes präzises Eingreifen und dann ist wieder gut. Die Beziehung ist anschließend nicht beendet. Bin ich mental so weit gewachsen, ruhig und in der Lage, in solchen Momenten auch fair und angemessen zu agieren? Fairness ist ein wichtiger Punkt im Umgang mit Pferden und Ausnahmen, übernommen aus der Natur, dürfen nicht die Regel sein oder Momentaufnahmen zur Rechtfertigung von Druck oder Zwang hergenommen werden.
Beispiele zur Verdeutlichung der Anwendung der GFK
1.Das Pferd weicht beim Putzen immer zurück
Beobachtung: „Ich sehe, dass du beim Bürsten an der Flanke jedes Mal einen Schritt zurück machst.“
Gefühl: „Ich bin verunsichert und etwas besorgt.“
Bedürfnis: „Mir ist es wichtig, dass du dich wohl und sicher fühlst während unserer Zeit miteinander.“
Bitte: „Darf ich dich beobachten und herausfinden, ob dir diese Stelle vielleicht unangenehm ist? Ich würde es gern sanfter versuchen. Gib mir bitte ein Zeichen, wenn es dir besser passt.“
Statt zu denken „Das Pferd ist zickig“, wird die Reaktion als Hinweis auf ein Bedürfnis verstanden – möglicherweise Schmerz, Unsicherheit oder eine schlechte Erfahrung.
2.Das Pferd kommt nicht, wenn es von der Weide geholt werden soll
Beobachtung: „Ich habe heute beobachtet, dass du dich von mir abwendest und weitergrast, wenn ich mit dem Halfter komme.“
Gefühl: „Ich bin traurig und ein wenig frustriert.“
Bedürfnis: „Ich wünsche mir eine Verbindung zwischen uns, bei der du gern mit mir mitkommst.“
Bitte: „Wärst du bereit, mir zu zeigen, was du brauchst, um dich sicherer zu fühlen, wenn ich dich holen komme? Ich würde dir gern zuhören.“
Statt dem Pferd hinterherzulaufen oder es zu „überlisten“, wird der Fokus auf Verbindung und gegenseitiges Verständnis.
3.Das Pferd reagiert plötzlich nervös beim Longieren
Beobachtung: „Ich sehe, dass du deinen Kopf hochnimmst, die Ohren anlegst und schneller wirst, wenn ich dich auf dem Zirkel schicke.“
Gefühl: „Ich bin besorgt und angespannt.“
Bedürfnis: „Ich sehne mich nach Klarheit und Vertrauen zwischen uns.“
Bitte: „Können wir einen Moment innehalten und einfach gemeinsam atmen? Ich möchte herausfinden, ob dich etwas stört oder ob ich dich überfordert habe.“
Hier wird durch Achtsamkeit auf Körpersprache und Selbstreflexion eine gemeinsame Lösung gesucht.
Zusammenfassend:
Beobachte ohne zu bewerten.
→ „Mein Pferd ist stur und faul“ wird zu: „Mein Pferd bewegt sich heute langsamer.“
Höre auf deine eigenen Gefühle und erkenne auch die des Pferdes an.
→ „Ich bin genervt…“ wird zur Frage: „Was brauche ich gerade, um der Angelegenheit jetzt mit Ruhe … zu begegnen?“
Erkenne Bedürfnisse hinter dem Verhalten.
→ Ein widersetzliches Pferd könnte müde, überfordert, unverstanden, schmerzgeplagt oder gar gelangweilt sein.
Formuliere klare Bitten, keine Forderungen.
→ „Jetzt mach…“ wird zu: „Wärst du bereit, mit mir zu kommen …., wenn ich dich freundlich einlade?“
Bemerkst du den Unterschied?
Gedanken zum Abschluss
Aus meiner Sicht und Erfahrung, halten wir mit der GFK einen Schlüssel der Annäherung und Veränderung von Beziehungen zu unseren Pferden in der Hand. Dieser bietet neben dem Wissen und dem Anwenden der Kommunikation der Pferde untereinander und dem weitgehenden Übernehmen der Signale aus dem natürlichen Umgang in einer Pferdeherde, wunderbare Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung durch echtes Gesehen werden, Mitgefühl und Authentizität.
- Zur natürlichen Kommunikation und Herdenverhalten folgt an anderer Stelle mehr. –
Es liegt also ein ganzes Stück weit an uns selbst, in wie weit Beziehungsgestaltung gelingt. Eine gemeinsame Reise basierend auf Wahrnehmung, Annahme, Veränderung und folglich neuer gemeinsamer Erfahrungen (mein WAVE- Modell, auch darüber später mehr) eröffnet Türen. Die GFK zu leben, bedeutet jedoch nicht, keine Grenzen zu setzen. Ganz im Gegenteil. Individuelle Räume und Grenzen sollten wir spüren und achten. Durch die GFK verändert sich das „Wie“ diese eingenommen und gehalten werden können. Es braucht weder Konditionierung, Druck oder gar Zwang. Solche Methoden werden ersetzt durch Kompetenzen, Präsenz, Klarheit und innerer Stärke.
Impulse und Gedanken für deinen Alltag außerhalb der Beziehung zu deinem Pferd.
Ist dieser Wunsch nach Gesehen und Gehört werden, nach Annahme und bedingungsloser Liebe nicht in allen von uns vorhanden? Was wir im Kontakt mit unseren Pferden ersehnen, ist tief in uns verwurzelt und hat Ursachen welche in unserer Biographie und Lebenswelt liegen. Wir verbergen vieles, wenn auch unbewusst, hinter dicken Mauern. Die Pferde berühren diese, kratzen daran und gemeinsam können wir sie zum Einsturz bringen. Lebe dein authentisches Selbst, zeige dich mit allem und du wirst Verbindung erfahren. Nicht nur im Zusammensein mit Pferden, sondern immer, ja immer, dient uns Selbstwahrnehmung, Selbstfürsorge und ein Bewusstsein dafür, dass alles in uns beginnt. Begib dich auf deinen ganz individuellen Weg, an der Seite deines Pferdes und sei überrascht, was möglich ist. Du bist mit deinen Fragen oder Themen nicht allein. Wir alle stehen im Rahmen des Bildes unseres Lebens und aus diesem Grund, können wir nicht alle Details des Ich´s bemerken. Es bedarf der Unterstützung eines Gegenübers oder Spiegel. Die Pferde sind schon da und auch ich bin gerne an deiner Seite und begleite euren Weg der Verbindung.
Alles Liebe für euch!
Hinterlass gerne einen Kommentar oder schreib mir deine Fragen, Anregungen oder buche dir einen kostenfreien Infotermin. Schau auch gerne in mein Buch. In diesem beschreibe ich meinen Ansatz und die Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation.
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